Alle Märchen sind nur Träume von jener heimatlichen Welt, die überall und nirgends ist.
Das Zitat stammt von Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, der unter dem Pseudonym Novalis einer der bedeutendsten Vertreter der Frühromantik ist. Zu seinen Freunden zählten Schiller, Goethe, Herder und andere Schriftsteller und Philosophen ihrer Zeit. Damals standen Märchen noch hoch im Kurs und hatten einen anderen Charakter. Sie vermittelten Lebensweisheiten und gaben auf ihre Art hilfreiche Tipps.
Ich habe drei seltene Ausgaben von Grimms Märchen zu Hause. Sie gehörten meinem Vater, der sie als Kind geschenkt bekam. Wann immer ich konnte, versank ich darin. Für mich waren es Türen in eine andere Welt. Meistens war diese Welt gerechter, netter oder zumindest einfacher. Dabei war es nie mein Wunsch, Prinzessin oder Königin zu sein. Im Herzen war ich am liebsten der Held, der die Ungeheuer besiegte, der den Teufel schlau austrickste oder auf andere Art für seine Lieben einstand.
Die heutigen Märchen, von Disney und Co aufgehübscht, sind wunderschön anzusehen. Und sie sagen immer noch: am Ende wird alles gut. Aber ist das so? Wird es einfach so wieder gut?
Ich weiß nicht, wie es euch geht. Ich habe gelernt, dass es Einsatz und Leidenschaft braucht, etwas hinzubekommen. Je älter man wird, desto mehr Ausdauer und Geduld benötigt man. Und oft auch Freunde, die zu einem halten. Diese Welt ist schnelllebig und unverbindlich. Der Einfluss von außen ist oft so groß, dass viele ihren eigenen Punkt nicht mehr finden können. Kinder müssen funktionieren, viele werden bereits im Kindergarten auf das harte Leben als Erwachsener vorbereitet. Mütter und Väter kutschieren die Kleinen von einem Termin zum anderen, ohne das mal eine Atempause bleibt für beide. Die Gesellschaft fordert, und sie fordert viel.
„Die Märchen sollten wieder stärker ins Gespräch kommen. Die Menschen unserer Zeit berauben sich einer Fülle von Erlebnismöglichkeiten, wenn sie dem Märchen aus dem Weg gehen.“
Auch das stammt von Novalis, geschrieben im 18. Jahrhundert.
Wäre es nicht schön, wenn Märchen wieder mehr Raum in unserem Leben einnehmen würden? Märchen, die Mut machen, die sagen: du bist nicht allein. Trau dich, denn den Mutigen gehört die Welt. Leben ist mehr, als nur den Vorstellungen anderer gerecht zu werden. Leben sollte gegenseitiges, verschwenderisches Wohlwollen sein, mit Vertrauen darauf, dass es der andere auch so sieht.